Münchner Merkur – Das Böse im Bergidyll

Eigentlich ist die lebenslustige Marie Theres Relin kein großer Krimifan: „Da steht der Tod so im Vordergrund.“ Trotzdem hatte die 54-Jährige beim Dreh zur Auftaktfolge der zweiten Staffel von „Watzmann ermittelt“ viel Spaß. Sie spielt die Wirtin Gabriele Schellenberger, soeben verlassene Lebensgefährtin des Mordopfers, eines Zahnarztes und Großwildjägers Björn Heckerl. Er wurde vor seinem gewaltsamen Tod Ziel einer Hetzjagd im Internet, weil er bei einer seiner Jagdreisen mit Jambo ein legendäres Nashorn erlegt hat.
„Regisseur John Delbridge ist so kreativ und lustig. Ihn als Engländer zwischen den ganzen Ur-Bayern zu erleben, war manchmal höchst amüsant“, erinnert sich Relin an die Dreharbeiten. Sie fanden schon im Sommer 2019 im Berchtesgadener Land vor der Alpenkulisse des titelgebenden Watzmann statt. „Die ganze Crew war zauberhaft“, schwärmt sie.
Zu gerne würde sie öfter und am liebsten in einer eigenen Fernsehserie mitspielen, „vielleicht eine junge Oma, die lauter Schabernack im Kopf hat. Meines Wissens gibt es so etwas noch nicht.“
Sie könnte auf einen reichen Erfahrungsschatz zurückgreifen: Vor sechs Jahren machte Tochter Josephine sie zur stolzen Oma von Enkelin Matilda. Eine Rolle, die Relin sehr genießt.
Sie sei insgesamt ein glücklicher Mensch, bekennt die Mutter dreier erwachsener Kinder, die in Wasserburg und auf Teneriffa lebt. Beruflich ist sie breit aufgestellt: Neben der Schauspielerei – die sie 2020 nach 30 Jahren Abstinenz auch wieder auf eine Theaterbühne führte – schreibt sie an einem neuen Buch mit dem Titel 49:43. Ein Plädoyer gegen uns Frauen – eine „Art Zwischenruf vor der Glotze auf ein Interview mit Simone de Beauvoir“, wie sie erklärt.
Auch sonst ist viel zu tun. Sie organisiert Fanreisen auf „ihre“ spanische Insel, Festivals und plant Filmfeste. Doch diese Vielseitigkeit ist es nun auch, die ihr in der aktuellen Krise zu schaffen macht. Eben weil Relin dadurch in kein berufliches Schema passt, fällt sie bei staatlichen Unterstützungen für Künstler durch jedes Raster.
Verbitterung ist derweil  nichts für die Tochter der großen Maria Schell (1926-2005), die heuer 95. Geburtstag gefeiert hätte: „Jammern hilft ja nix!“
Und so blickt Relin lieber nach vorn: Ihr Inklusionsprojekt Kino Frauen aller Kulturen will sie im Herbst nach München bringen: Bei Gratis-Vorstellungen kommen einmal pro Monat Frauen aller Kulturen, Religionen und Nationen und ihre Kinder zusammen. „Ein buntes Miteinander“ sei das immer, wie Relin aus Erfahrung in Trostberg und Wasserburg weiß. Dort lief das Projekt bereits.
Die Schauspielerin, die einst die Hausfrauenrevolution anzettelte, wurde dafür 2019 mit dem Integrationspreis der Regierung von Oberbayern ausgezeichnet. Nachdem Relin ihre Freude am Theaterspiel wiederentdeckt hat, steht sie im Spätsommer mit „Ungeheuer heiss“ auf der Bühne der Komödie im Bayerischen Hof. Der direkte Kontakt zum Publikum, das hoffentlich herzlich über ihre Rolle lachen kann, fehle ihr doch sehr, bekennt die Schauspielerin.
Ein anderes Herzensprojekt ist ihr Filmfest „Region 18 – Wir holen die Stars auf’s Land“. Dabei bringen Künstler ihre für sie wichtigsten Filme mit. Diese werden in kleinen Programmkinos in Anwesenheit des Stars gezeigt – wenn es denn wieder möglich ist. Das letzte Event dieser Art hätte im November mit Robert Atzorn und dessen Frau stattfinden sollen.
Überhaupt ist Relin ein großer Fan von Events, wie sie sagt. Leute, die sich treffen und eine gute Zeit miteinander verbringen – das gefällt dem glücklichen Single. Heimkino liegt ihr hingegen nicht: „Ich habe seit 32 Jahren keinen Fernseher mehr.“ Informationen bezieht sie zumeist aus dem Internet, ist sich der Tücken des Mediums aber durchaus bewusst. „Ich war ja mit meiner Hausfrauenrevolution, die 2002 begann, quasi eine Social-Media-Pionierin“, erzählt sie. „Es war toll, sich so schnell und effektiv zu vernetzen.“
Doch Relin, für die das Smartphone zu den wichtigsten Arbeitsmitteln gehört, sieht auch die Gefahren, die aus schnell bezogenem Halbwissen und Falschmeldungen entstehen können. Stichwort Mobbing und Hetzjagd – ein Thema, das auch beim aktuellen Todesfall in Watzmann ermittelt aufgegriffen wird. Aber Großwildjäger? In den Alpen? „Wenn Sie wüssten“, sagt Relin und lacht. „Unter den vielen liebenswürdigen Menschen gibt es auch einige außergewöhnliche Exemplare. Immerhin wird hier regelmäßig der thailänische König mit Gamsbart-Hut und Lederhosen gesichtet.“

© Katrin Basaran erschienen im Münchner Merkur am 03.02.2021

 

© Katrin Basaran erschienen im Münchner Merkur am 03.02.2021

Beitragsbild: © Gisela Schober