Texte

Oktober 2017

 

„Friedlicher muss es werden …“

Ein Gespräch mit Jule Ronstedt

 

Marie Theres:

Ich kann mich gut an die Proben und Inszenierung von „Herr Puntilla und sein Knecht Matti“ an den Münchner Kammerspielen im Jahr 1998 erinnern. Während Du als bunter frischer Wirbelwind in der Rolle des Kuhmädchens an der Seite des legendären Jörg Hubes über die Bühne wehtest, saß ich als dreifache Mutti an der Seite des Regisseurs im Zuschauerraum, bewunderte Dich und bereute es ein ganz klein wenig, nicht mehr die Bretter die die Welt bedeuten unter den Füßen zu haben.

Wie weit hat Dich die Zusammenarbeit mit meinem Exmann Franz Xaver Kroetz geprägt?

Hast Du Erinnerungen daran oder gibt es eine Anekdote aus dieser Zeit?

Jule:

Diese Arbeit mit dem Franz gehörte in jedem Fall zu meinen positivsten Theaterarbeiten! Weil er ein radikal Denkender ist und dennoch Humor hat, und zwar einen bösen, den ich sehr schätze. Und wenn der Franz nicht so stur und streitbar wäre und regelmäßig inszeniert hätte, dann hätten wir bestimmt wieder zusammen was auf die Bühne gebracht. Ich weiß, dass er damals über einen Horvath u.a. mit Christa Berndl und mir nachgedacht hat…- wurde dann aber leider nichts. Ich hatte ja in der Zeit vor den Kammerspielen eine freie Theatergruppe, die ich geleitet und inszeniert habe. Und da habe ich eine Kroetz-Collage inszeniert: „gekroetzeltes vom Schwein“ habe ich das genannt. Da gab es Ärger mit seinem Verlag. Sie wollten die Aufführung verbieten, haben mit Geldstrafen gedroht…- eine Katastrophe! Ich hab das damals gar nicht verstanden, war doch ein Fan von seinen Texten, wollte einen schönen Abend daraus machen. Aber ich fand einen Trick, den Ärger zu umgehen, indem ich den Eintritt auf Spenden-Basis eingesammelt habe. Dann war es nicht kommerziell. Wir waren ja jung, Studenten…- Erst dann an den Kammerspielen hab ich dem Franz das erzählt, dass ich das war. Er konnte sich an den „Fall“ erinnern, hat sehr gelacht!

Marie Theres:

Ich glaub‘, noch im gleichen Jahr, also 1998, hast Du die Seite gewechselt und hast mit der Regie begonnen. 

Jule:

Nein, ich habe sogar schon auf dem Gymnasium inszeniert. Ich habe immer beides gemacht, aber die Schauspielerei hat schneller funktioniert. Mit der Regie, das hat sich nach und nach ergeben, ist gewachsen.

Marie Theres:

Wenn man deine Vita liest, dann wird einem schwindlig:

Du bist eine erfolgreiche Schauspielerin, eine gefeierte Bühnen-, Hörspiel-, Drehbuchautorin, warst Kolumnistin, schreibst an Deinem ersten Roman, bist eine ausdrucksstarke Fotografin, bist ab und an Dozentin, nebenbei bist Du auch noch Mutter und hast mit Deinem ersten Kinofilm gleich mal einen super Erfolg gelandet. Bei so vielen Talenten sei die Frage gestattet: Was kannst Du ganz und gar nicht? Und wer bist Du definitiv nicht?

Jule:

Nein, das ist ja nie alles auf einmal. Das ist ja eins nach dem anderen und ich bin ja auch nicht mehr die Jüngste, da sammelt sich eben was an. Das Meiste mach ich, weil mir schnell fad ist. Ich könnte nie nur Schauspielerin sein, die zwischen den paar Dreharbeiten im Jahr nur Cappuccino trinkt und ins Fitnessstudio rennt. Ich suche nach Inhalten. Ich muss dann was tun: Unterrichten (ab und zu) oder eine Theaterregie (das ist wie Heim kommen) oder schreiben oder mir fällt eben eine Geschichte ein, die ich unbedingt weiter entwickeln will, weil ich denke, das könnte ein toller Film werden, den ich gerne sehen würde. Dass ich dann im Falle von „Maria Mafiosi“ so konsequent dran geblieben bin, das erstaunt mich selbst. Das waren ja Jahre, bis es damit etwas wurde! Und ich bin eher ungeduldig.

Was ich innerhalb dieses Metiers gar nicht kann, und nicht mehr probieren möchte, ist synchronisieren. Und ich sehen mich auch tatsächlich nicht als großartige Bühnenschauspielerin, wobei …haha, gerade probe ich am Volkstheater „Die Möwe“. Nach 14 Jahren mal wieder auf der Bühne! Das ist spannend für mich.

Und ob ich wirklich eine „gefeierte Autorin“ bin, wage ich mal zu bezweifeln. Schön wäre es. Ich finde das Schreiben mit Abstand das Mühsamste und Quälendste. Und mein Respekt für die Autoren wächst mit jeder Zeile!

Marie Theres:

„Maria Mafiosi“ legte auf dem Open Air des Stadtkinos Trostberg, nach Landsberg am Lech, den zweit besten Start in Bayern hin. Insgesamt haben über 1000 Besucher Deinen Film in Trostberg gesehen. Das ist viel – zum Vergleich der Film „Lala Land“ hatte 700 als Besucherzahlen. Strebst Du in Zukunft an, dass Du mit Deiner bayrischen humorvollen Art eine Konkurrenz zu den „Falk-Krimis“ wirst? Oder willst Du Dich in Deinen Komödien und Filmen nicht festlegen lassen?

Jule:

Also, nein, ich strebe keine Konkurrenz zu Frau Falk an. Im Gegenteil. Alle anderen Stoffe, an denen ich arbeite, sind gar nicht bayerisch. Dass „Maria Mafiosi“ so bayerisch ist, hat noch mit „wer früher stirbt“ zu tun. Nach diesem Erfolg dachte ich, aha, da ist ein Publikum, das hat Lust auf solche Mundart-Komödien…- da denk ich mir was aus. – Bis ich fertig war, gab es dann eben auch „Dampfnudelblues“ etc.- das lag schlichtweg daran, dass ich nicht in erster Linie als Autorin am Schreibtisch saß, sondern viele Filme als Schauspielerin gedreht habe und das Drehbuch immer nur in den Zeiten dazwischen weiter entwickelt habe. Aber man wächst ja, jetzt interessieren mich ganz andere Themen.

Marie Theres:

Frau, Polizistin, schwanger. Du brichst in „Maria Mafiosi“ ein Frauentabu auf komödiantische Weise. Aber auch Themen wie Mutter, Kind, Umschulung, beruflicher Wiedereinstieg, Familie als Betreuungssystem, die Liebe und viele andere weiblich-gesellschaftlichen Strukturen kommen nicht zu kurz. Wie kamst Du auf diese Idee?

Jule:

Ich wollte eine starke Frauenfigur schreiben. Für mich!  Am Anfang dachte ich noch dran selbst zu spielen…erst nach und nach wurde mir bewusst: Ich will den Film machen, spielen muss eine Andere.

Ich finde, es gibt viel zu wenig coole, starke, unabhängige Frauen auf der Leinwand. Das weibliche Rollenbild im deutschen Film und TV ist überwiegend spießig, konservativ, veraltet. Meistens passiv reagierend, selten agierend. Dem wollte ich etwas entgegensetzen. Und dann waren da plötzlich gleich mehrere starke Frauenfiguren in meinem Film!

Marie Theres:

In Deinem Film steht Familie im Vordergrund. Du bist selbst Mutter. Was hältst Du von der deutschen Frauen- und Familienpolitik?

Jule:

Schwierig. Die gleichberechtigte Bezahlung ist ja zum Glück endlich mal Thema! Und die aktuellen Quotendiskussionen sind absolut wichtig, wenn auch nervig. Die Quote ist ja erst mal nur ein Instrument, wäre schön, wenn sie sich irgendwann erübrigt.

Aber mich wundert auch, wie lange die Frauen still gehalten haben, wie wenig die Frauen insgesamt dafür kämpfen. Als steckt es in jeder Pore, das Weibchenklischee.

Marie Theres:

Großartig in Deinem Film ist die Schweizerin Carlo Schuler als wilde, männlich-weibliche Schwester. Wie hast Du diese super Schauspielerin und Sängerin entdeckt?

Jule:

Ich habe viele Demo-Bänder angesehen. Sie gefiel mir sofort. Power hat sie, und cool ist sie! Und als dann klar war, das Antonella Atilli die Mutter spielen wird, passte Carol optisch perfekt als Tochter. Dann gab es ein Casting, ein erstes „Familientreffen“, das war total beglückend. Das hat sofort gestimmt. Ich liebe die Pacellis! Und die sind als Kollegen nach den Dreharbeiten alle weiterhin in Kontakt geblieben…- das finde ich richtig schön!

Marie Theres:

Stephan Zinner, ein Trostberger. Wie war die Zusammenarbeit mit dem Schauspieler und Kabarettisten?

Jule:

Den Stephan kenne ich schon sehr lang. Wir haben „Franzi“ zusammen gedreht für den BR. Ich mag ihn sehr und wollte ihn unbedingt dabei haben. Er hat letzten Sommer seine neue Platte aufgenommen und es war schwer die Drehtermine zu organisieren. Aber dann war er mit im Boot! Da war ich einfach froh.

Marie Theres:

Du hast eine 16 jährige Tochter – Pubertät gut überstanden? Was rätst Du der jungen Frau für die Zukunft?

Jule:

Alles gut. Wir haben ein offenes und vertrautes Miteinander. Ich find es schön, so ein großes Kind zu haben. Man führt jetzt ganz andere Gespräche. Und ich hoffe, ich kann sie weiter auf ihrem Weg als Vertrauensperson begleiten. Bin gespannt was da kommt. Raten…? Weiß nicht. Jeder muss seinen eigenen Weg finden und gehen, oder?

Marie Theres:

Auf welche Jule Ronstedt bzw. welche ihrer Arbeiten dürfen wir in naher Zukunft gespannt sein?

Jule:

Na, jetzt erst einmal hab ich Ende Oktober am Volkstheater als Arkadina in der „Möwe“ Premiere. Dann drehe ich noch im November einen Fernseh-Film. Und im Winter will ich schreiben. Aber was, verrate ich nicht.

Marie Theres:

Irgendwelche Wünsche ans Universum fürs Leben, Beruf, Gesellschaft oder just for you?

Jule:

Weniger Terror, weniger Kriege, Waffen, Unruhen. Warum sind die Menschen nur so mörderisch unterwegs? Ich verstehe es nicht. Friedlicher muss es werden. Das wünsche ich mir, auch für unsere Kinder.

 

Jule Ronstedt war am 29.09.2017 zu Besuch im Trostberger Stadtkino. Aus diesem Anlass führte ich mit ihr dieses sehr persönliche Interview. Leider konnte ich unser Gespräch in keiner Zeitung unterbringen, freie Journalisten sind in den Redaktion anscheinend unerwünscht. Lange Gespräche sowieso.

Nichtsdestotrotz sind Jules wunderbare Antworten zu schade für die Schublade!!!

Am 26. Oktober 2017 hat „Die Möwe“ von Anton Tschechow (Regie von Christian Stückl) Premiere am Münchner Volkstheater. In der Hauptrolle Jule Ronstedt als Irina Nikolajewna Arkadina.

© Marie Theres Kroetz Relin & Jule Ronstedt 2017

 

Jule Ronstedt/ Kroetz Relin 29.09.17  © Thomas Thois

 

Texte, Texte, Texte …

Neue Texte müssen erst geschrieben werden,

aber im umfangreichen Archiv kann man einiges nachlesen.

Zum Beispiel meine Kolumne

Muttern

oder

Weibsstück

oder

Auszüge aus

If Pigs Could Fly – Die Hausfrauenrevolution

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