Alle Bilder (c) Detlev Schneider;
JUNGE FAMILIE- im Gepräch mit Petra Plaum

 Dank der Kinder zur neuen Karriere
Geschichten erfolgreicher Umsteigerinnen

Petra Plaum im Gespräch mit Marie Theres Kroetz Relin 

1. Du hast  deine schauspielerische Laufbahn zugunsten des Berufes deines Mannes, deiner Familie aufgegeben. Die jungen Stars von heute entscheiden sich zumeist anders – da wird allenfalls kurz ausgesetzt, schnell abgespeckt und dann mit Nanny und Kind(ern) ins Flugzeug gestiegen und abgedreht, was irgend geht.Weshalb hast du dich damals gegen eine Karriere entschieden? War dir beim ersten Kind, mit 22, die Tragweite deines Entschlusses klar?


Das Wort „aufgeben“ gefällt mir nicht. Wenn ich zugunsten von jemand anderen etwas aufgebe, mache ich in diesem Moment auch jemand anderen für meine Zukunft oder Vergangenheit verantwortlich. Und das ist falsch, nur ich kann meinen Weg bestimmen.Ich sage also eher, es hat sich ERGEBEN: Mit knappen 21 Jahren, als Jungschauspielerin sehr erfolgreich, lernte ich den 20 Jahre älteren und attraktiven Dichter kennen, verliebte mich und wurde kurz darauf schwanger. Der Rest ergab sich ganz vom selbst: Im hohen Alter von 28 Jahren war ich dreifache Mutter, insgesamt 27 Monate schwanger, 4 1/2 Jahre Milchlieferant und 6 Jahre schon im Dauereinsatz. Karriere? Sorry, keine Zeit. Familie bedeutet das Leben pur. Und mal ehrlich: wer bietet mehr? Eben. Ich möchte auch nicht darauf verzichten. Keine Karriere hätte mir das ersetzen können, was ich durch meine Familie an Leben inhalierte: Traumzeit Schwangerschaft, Urknall Geburt, Wunderwerk Kind, Liebesergänzung Familie, Fortsetzung und Weiterleitung meines Ich’s und einen Keller voll Erfahrungen. Aber: Leidenschaftlich gerne Mutter zu sein bedeutet viel Liebe und Leben, aber auch viel Verzicht auf Eigenes. Keine Kinder zu haben bedeutet viel Verzicht auf Liebe, das Leben tobt außer Haus und im Alter erwartet dich die Einsamkeit. That's the differnce! 

2. Würdest du heute noch einmal so lange beruflich pausieren?

Auch das „ergibt“ sich: drei Kleinkinder im Haus und zwei davon haben schweres Asthma (heute sind beide geheilt). Die Gesundheit der Kinder geht vor. Statt Filmparties zu besuchen, verbrachte ich die meiste Zeit beim Kinderarzt. Wenn Du ein krankes Kind daheim hast, das um Luft ringt, dann denkst Du keine Sekunde mehr an eine berufliche Verwirklichung. Und abgesehen davon heißt es in Schauspieler Kreisen: Klappern gehört zum Geschäft. Kurz: wenn Du nicht mehr klappern kannst, also nicht mehr im Showbiz präsent bist, dann bist Du sehr schnell vergessen und bekommst keine Angebote- übrigens bis heute nicht, trotz Medienpräsenz.
 
 
3. Als dir die Idee zu einer „Hausfrauenrevolution“ kam – welche Ziele hast du damals verfolgt? Welche sind neu hinzugekommen, welche Ideale inzwischen gestorben?
4. Ab wann war Geldverdienen bei der Sache ein Thema?

Mit 35 Jahren betrachtete ich meine Zukunftsperspektiven als Hausfrau: kein eigenes Geld, keine Rente, keine Versicherung, keine beruflichen Wiedereinstiegschancen. Mein kreatives Potenzial schlummerte in einem Schnellkochtopf auf höchster Flamme, allerdings ohne Ventil. Die Folgen: mein Körper zog die Nothandbremse und zwang mich mein Leben radikal zu ändern. Ich wurde krank (Lungenembolie, Schilddrüsenüberfunktion) und nahm das Signal ernst. Am 21.11. 2002 gründete ich die Hausfrauenrevolution und innerhalb dieser vier Jahren konnte ich all meinen kleinen Ziele verwirklichen: ich habe mir einen Beruf erschrieben, zwei Bücher veröffentlicht, habe mein eigenes Gehalt, meine Versicherung, kann in die Rente einzahlen und, last but not least, konnte ich auch die Scheidung einreichen. Ich habe einiges bewegt, nicht nur in meinem Leben, sondern auch in den Leben vieler anderen Frauen. Ich kann zufrieden sein, mit dem „Erreichten“ und bin es auch.

Mein Motto, meine Utopie, der Hausfrauenrevolution „zusammenhalten um zu verändern“, ist mein schwierigstes Ziel: die Frauen spüren ganz plötzlich revolutionäres Blut in den Adern, kämpfen kurz und leidenschaftlich mit, um sich dann wieder der Staubsauger- Lethargie zu ergeben. Die Sprachlosigkeit dominiert noch immer unsere Gesellschaft, der Mut auch mal abgelehnt zu werden, der fehlt völlig. Die Gewohnheit beherrscht die Leidenschaft und an einem gewissen Punkt ziehen Frauen das Keifen dem Kämpfen vor.
Das sind die Stolpersteine meiner Revolution und schlussendlich finde ich mich als Einzelkämpferin wieder, bis auf die paar treuen Ausnahmen wie dich zum Beispiel.
Eine Revolution zu starten bedeutet viel Arbeit- kostenlose Arbeit. Und wer arbeitet schon gern kostenlos? Außer derjenigen, die ihrem Traum nach einer „besseren Welt“ nachhängt und das mache ich nach wie vor.


 
5. Du betonst oft, dass du in der Schule grottenschlecht warst und dass Lesen und Schreiben dir als Kind nicht eben leicht fielen. Wann hast du zum ersten Mal erkannt, dass du eine wunderbare Fähigkeit hast, dich auszudrücken?

Ich war als Kind Legastheniker. Mein größter Triumph der Hausfrauenrevolution ist, dass ich diese Schwäche total besiegt habe. Sprachlich war ich aber immer begabt, nur eben nicht schulisch. Nicht umsonst spreche ich fünf Sprachen, fließend. Die Fähigkeit mich auszudrücken verdanke ich meinen Erfahrungen. Mein Ex-Mann gab mir folgenden Satz mit auf den Weg, als ich mein erstes Buch schrieb: „Schreib nicht über Deine Verhältnisse“ -ganz im Sinne von: Lebe nicht über deine Verhältnisse. An diesen Satz hab ich mich bis heute Gehalten.
 
6. Welche Eigenschaften und Kenntnisse, die du in den Hausfrauenjahren an dir entdeckt oder neu entwickelt hast, helfen dir jetzt in deinem neuen Beruf?


Alle. Ich weiß eben, wovon ich schreibe. Siehe meinen Keller der Erfahrungen.

 
7. Journalismus und Schriftstellerei haben zwei sehr unterschiedliche Seiten: die eine ist das Künstlerische, Schöpferische, das Ringen um einzigartige Ideen und Worte, ein sehr einsamer Kampf. Die andere ist das Selbstmarketing, denn nur wer seine Themen und Texte auch verkauft, kann vom Schreiben leben. Wie bringst du beide Seiten unter einen Hut? Was liegt dir mehr?

Schreiben ist für mich Schreiben. Da mache ich keinen großen Unterschied. Wenn sich der erste schriftstellerische „Befreiungsschlag“ gelegt hat, artet die Schreiberei schnell in Arbeit aus, egal ob für ein Buch oder für einen Artikel. Und das erfordert Disziplin, sehr viel Disziplin. In der Buchform noch mehr als im Journalismus. Ich recherchiere gern zu einem bestimmten Thema. Beim Recherchieren stolpert man automatisch über spannende Themen und -schwupps- hat man Ideen.
 
8. „Ich kriege ein paar Kinder, schreibe ein Buch und werde reich und berühmt“. Den Traum haben viele Frauen, und ab und zu wird er ja auch wahr. Was findest du traumhaft und schön am Schriftstellerinnenleben? Was eher schwierig?

Also das mit dem „reich und berühmt“ werden ist so eine Sache. Den Traum sollte man schnell wieder begraben. Ich habe darauf nie spekuliert. Ich wollte unabhängig werden und am liebsten mit einem Beruf, den ich von zuhause aus ausüben kann, da ich ja auch noch leidenschaftlich gern Mutter bin. Das ist mir gelungen. Eben mit viel Disziplin und manchmal bis an die Grenzen meiner Kraft. Hätte das nicht geklappt, hätte ich mir etwas anders gesucht und bestimmt auch gefunden. Mein Wille ist stark. Einer meiner Lieblingssprüche: „Und Sterne reißt’s vom Himmel, das kleine Wort „ich will“.“
 
9. Welche Eigenschaften sollte eine Frau mitbringen, die sich im selben Business versuchen möchte?

Ausdauer und einen starken Willen. In unserer von Männern dominierten Gesellschaft, können sich nur die hartnäckigen Frauen durchsetzen, am besten gepaart mit Weiblichkeit.

 
10. Eigentlich ist es paradox: du hast eine Hausfrauenrevolution gestartet und bist inzwischen eine vielbeschäftigte Geschäftsfrau. Welche Aspekte des Hausfrauenlebens sind dir auch jetzt, mit großen Kindern und ohne Mann, noch wichtig? Und wie bzw. von wem wird dein Haushalt jetzt organisiert, wenn du unterwegs bist?

An erster Stelle bin ich nach wie vor Hausfrau und Mutter- mittlerweile alleinerziehende Mutter. Und zusätzlich eben auch Autorin. Ich mache im Prinzip alles selbst: kochen, Haushalt, Mama-Taxi und Co. Nur den Luxus, dass einmal pro Woche eine Freundin zum putzen kommt, den leiste ich mir. Und wenn ich eine Lesetour wie diese mache, dann kostet es mich viel Geld und Aufwand einen „Mama-Ersatz“ zu organisieren.

 
11. Trotz aller Erfolge: the revolution goes on. Stell dir vor, eine gute Fee (natürlich weiblich) würde dir sagen: du hast drei Wünsche frei, um den Frauen Deutschlands ein besseres Leben zu ermöglichen. Was würdest du uns wünschen?

- Sprachlosigkeit durchbrechen. Kurz: die Kraft den Schnabel aufzumachen (innerhalb der Familie und auch auf der Straße), selbst auf die Gefahr hin, abgelehnt zu werden.

- Zusammenhalten um zu verändern. Also lieber gemeinsam kämpfen, statt zu keifen.

- Glückliche Zufriedenheit. Diese zwei Wörter beinhalten alles und sind unabhängig von materiellen Dingen. Ganz nach dem Satz von Che Guevara: „Seien wir realistisch, versuchen wir das Unmögliche.“

Du siehst liebe Petra, nach vier Jahren Hausfrauenrevolution, sind meine Träume, Utopien und Ziele die Gleichen geblieben.
Es gibt viel zu tun: Hau’n wir ab? ;- )

 

© Petra Plaum für JUNGE FAMILIE
 
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