Alle Bilder (c) Detlev Schneider;
Passauer Neue Presse - „Mütter haben Besseres verdient“

"Mütter haben Besseres verdient“

Vom Muttertag hält Marie Theres Kroetz Relin nicht viel. Vom Muttersein umso mehr – auch wenn es seinen Preis hat. Sie plädiert deshalb für 364 Muttertage im Jahr – und lieber einen Nicht-Muttertag.

Von Petra Grond

Der Marillenknödel zergeht auf der Zunge. „Mmmmh ... das schmeckt. Wie bei Omutti.“ Marie Theres genießt für einen kurzen Monet die süße Nachspeise und die Erinnerung. Die Omutti Margarethe Schell von Noé, war für das kleine Mädchen daheim in Heberthal bei Wasserburg am Inn die verlässlich präsente Instanz, wenn die vielbeschäftigten Eltern mal wieder unterwegs waren oder allzu sehr abgelenkt waren.

Das ist halt so, wenn die Mutter Maria Schell heißt und ihren Arbeitsplatz überwiegend auf Theaterbühnen oder in Hollywood hat und der Vater Veit Relin, die Regie eher am Theater führte als daheim.

Von der Omutti hat Marie Theres das Kochen gelernt: an einem Kinder-Elektroherd, den ihr die Mutter geschenkt hatte. „Mit acht Jahren habe ich mein erstes Menü gekocht. Gesundes Essen ist wichtig. Wer sich nicht gut ernährt, vernachlässigt seinen Körper“,  sagt die heute 49-jährige streng. Kochen -und essen- gehört bis heute zu den großen Leidenschaften der Schauspielerin und Autorin.

Wäre es anders gelaufen, wäre auch Marie Theres heute womöglich in Hollywood. Angebote lagen der „besten Nachwuchsschauspielerin 1987“ durchaus vor. Erfahrungen vor der Kamera hatte sie bereits in England, Italien und Frankreich gesammelt. Doch die 19-jährige verliebte sich – die Goldene Kamera praktisch noch in der Hand – in den 20 Jahre älteren Autor und „Baby Schimmerlos“-Schauspieler Franz Xaver Kroetz.  Und läuft prompt in die „Kinderfalle“. Obwohl sie das nie so beschreiben würde. Doch die Tatsache ist, dass drei Kinder – 1988, 1992 und 1995 geboren – dem glamourösen Leben ein schnelles Ende bereiten. Die junge Dichter-Gattin erlebt, was viele Frauen kennen: Familie und beruf lassen sich schwer bis gar nicht miteinander vereinbaren. Weil zwei der Kinder unter schweren Asthma-Anfällen leiden, beschließt die Familie, ihren Wohnsitz nach Teneriffa zu verlegen. Dort atmen die Kleinen auf, der Autor ist inspiriert – und die junge Mutter hält für die kommenden zwölf Jahre Haus und Familie am Laufen.

„Leistung der Mütter jeden Tag anerkennen“ 

Der Muttertag spielt im Hause Kroetz leine große Rolle, auch wenn er für sie nun gleich zweimal im Jahr ansteht: am ersten Sonntag im Mai der spanische, eine Woche darauf der deutsche Muttertag. „Der ist doch widerlich, abstoßend, reiner Konsum. Der gehört sofort abgeschafft“, ereifert sich Marie Theres Kroetz Relin heute.

„Ich plädiere für einen Nicht-Muttertag einmal im Jahr. Kinder sollten nicht auf diesen Tag getrimmt werden. Wir sollten die Leistung der Mütter vielmehr jeden Tag viel mehr anerkennen.“

Deshalb gründete sie 2002 mit Gleichgesinnten im Internet die „Hausfrauenrevolution“. Revoltiert werden sollte gegen mancherlei Ungerechtigkeiten im Hausfrauenleben und die familienfeindlichen Gegebenheiten in der Gesellschaft – und das alles unter dem Kampfruf „Zusammenhalten um zu verändern“. Heute 14 Jahre später, ist die Revolution erlahmt. Ihr sind Luft und Kampfgeist ausgegangen, nicht die Themen. „Würde ich heute weitermachen, müsste ich an der gleichen Stelle anfangen wie 2002“, ist die Gründerin enttäuscht. „Bis auf die Quotenfrau hat sich nichts geändert, und die kann mich mal. Für Mütter stehen die Chancen immer noch schlecht.“ Noch immer kosten Sprit, Tickets und Hotelzimmer zur Ferienzeit mehr als außerhalb. Noch immer sind viele Kitas für alleinerziehende Mütter oder alleinverdienende Väter schier unerschwinglich, vor allem in größeren Städten. In München schreibt der „Kita-Finder“ vor, in welche Einrichtung das Kind kommt, nicht der Wohnort der Eltern oder deren Fahrtroute zur Arbeit. Noch immer erhalten Mütter keine angemessene Rente, von der sie im Alter leben können. „Mütter haben wirklich Besseres verdient.“

Marie Theres Kroetz Relin hat „ihre Brut, wie sie sie nennt, groß bekommen. Noch sind die beiden Jüngeren in der Ausbildung. Ferdinand (20), der gerade bei einem mehrmonatigen „Work & Travel“-Aufenthalt in Australien ausprobiert hat, wie es ist, auf eigenen beinen zu stehen, zieht es in einen sozialen Beruf. Dass ihm das – bei aller musischen Begabung – liegt, hat er schon bei einem freiwilligen sozialen Jahr herausgefunden. Seine jüngeres Schwester (24), die die Gebärdensprache auf Deutsch, Englisch und Französisch beherrscht, hat ihren Bachelor in PIR (Prävention, Integration und Rehabilitation bei Hörschädigung) in der Tasche und absolviert derzeit in den USA ein Jahrespraktikum an einer Gehörlosenschule. „Die wurde bereits 1817 gegründet, während bei uns die Gebärdensprache bis Anfang der 1990er Jahre noch verpönt war“, wie die Mutter erstaunt feststellte. Wenn Magdalena zurückkommt, plant sie, ihr Studium mit einem Master in Hörgeschädigten-Pädagogik zu vervollständigen.

Marie Theres Kroetz Relin freut sich über die Interessen ihrer Kinder: „Erziehung hat was mit Bildung zu tun, auch mit Herzensbildung.“ Da scheinen sie und ihr inzwischen „in Liebe geschiedener“ Mann viel richtig gemacht zu haben. Alle drei hängen sehr an den Eltern, der Kontakt ist häufig und liebevoll. Daran hat auch die Scheidung nichts geändert, ebenso wenig wie neue Partner. „Die Kinder brauchen den Vater. Und er kümmert sich sehr und unterstützt sie heute mehr, als ich es könnte“, sagt die Mutter dazu. So sind gemeinsame Radtouren noch genauso möglich wie gemeinsame Auftritte in der Öffentlichkeit. Was sie ihren Kindern neben dieser Nestwärme, die sie selber als Kind wohl häufig vermisst hat, vor allem mit auf den Lebensweg gegeben habe? Marie Theres Kroetz Relin denkt kurz nach. Dann sagt sie: „Den starken Zusammenhalt untereinander.“

„Jedes Kind verändert sich anders“, blickt die 49-jährige zurück. Ihr ältestes, Tochter Josephine (27), ist dabei vielleicht das ähnlichste Spiegelbild. Wie die Mama ist sie Schauspielerin geworden – und Set-Aufnahmeleiterin dazu, wie die Mama ist sie Autorin. Wie die Mama muss sie darum kämpfen, dass sie in ihrem Status als Mutter nicht den Anschluss im Beruf verliert. Klein-Matilda ist mittlerweile gut ein Jahr alt und hat aus der leidenschaftlichen Mutter Marie Theres eine begeisterte Großmutter gemacht. „Vieles, was ich als Mutter in all dem alttäglichen Trubel gar nicht so mitbekommen habe, kann ich jetzt als Oma genießen“, stellt sie fest.

„Wenn sie mich braucht, bin ich da“

Wo sie kann, unterstützt sie die Tochter, auch damit hier und da eine kleine Rolle annehmen kann: „Wenn sie mich braucht, bin ich da.“ Denn beide wissen, wie hart es ist, als freiberufliche Schauspielerin engagiert zu werden. Da ist viel Klinkenputzen, viel Geduld, viel Flexibilität und häufig ein dickes Fell vonnöten. Und oft genug die Chuzpe und die Kraft, die schon Maria Schell ihrer Tochter mitgegeben hat.

Denn von einem großen Namen allein kann niemand abbeißen. Zumal der nur allzu schnell verblasst, wie Marie Theres traurig feststellen musste: „Im Januar wäre meine Mutter 90 Jahre alt geworden. Keine der vielen Illustrierten, die Maria Schell zu Lebzeiten so bedrängt haben, hat davon Kenntnis genommen.“ Immerhin hat ihr Geburtsland Österreich der selbst weltberühmten Schauspielerin, bei der Prominente wie Romy Schneider, Liz Taylor, David Bowie oder auch Hans-Dietrich Genscher ein- und ausgingen, zum zehnten Todesjahr im vergangenen Jahr eine Briefmarke gewidmet. Und Tochter Marie Theres hat ihr, wie ihrer Omutti und den vielen anderen berühmten Vorfahren mit ihrem Buch „Meine Schells – eine Familie gesucht und mich gefunden“ ein liebvoll-kritisches Denkmal gesetzt.

Marie Theres Kroetz Relin lebt heute überwiegend im Chiemgau, in Trostberg  (Landkreis Traunstein). Wenn sie nicht dreht, schreibt, Lesungen hält oder mit unterschiedlichen Musikern den Dixie huldigt, dessen Wurzeln sie auf den Kanaren aufgespürt hat, oder augenzwinkernd den „Wechseljahr-Blues“ besingt, dann engagiert sie sich hier in der Arbeit mit Frauen, die aus Syrien, Afghanistan oder Eritrea geflohen sind. „Wir Mütter müssen doch zusammenhalten“, ist auch hier ihre fröhlich-kämpferische Devise.

Vom Filmset in den Heilkräutergarten

Manchmal aber sitzt sie auch an der Alz und versucht, sich das Heilpraktikergesetz – „aus dem Jahr 1939!“ – zu verinnerlichen. 30 Monate harte Ausbildung bis zum Abschluss. Denn sie weiß, dass sie von der Schauspielerei allein nicht leben kann, dass sie nie Schulden machen oder auf Kosten anderer leben will – und „Rentner gibt’s in unserer Familie keine“. „heilkundig“ war quirlige Schweizerin schon immer , hat mit den Kindern gelernt, welches Kraut wogegen gewachsen ist: „Man kann doch nicht immer gleich zum Arzt gehen.“ Auf Teneriffa, wohin sich Marie Theres immer wieder zurückzieht, nennen die Bananen-Anbauer und Nachbarinnen sie deshalb schon mal „doctora natura“. Marie Theres Kroetz Relin genießt die Herzlichkeit der Inselbewohner, die Sonne, den Blick aus dem Fenster auf das immer wieder anders herein rauschende Meer. Hier wird sie wohl auch den Muttertag verbringen. Wahrscheinlich ohne Kinder. „Im Glück suchen sie dich weniger, eher in der Not“, sagt sie lächelnd – und freut sich, dass es so ist.

 

Marie Theres Kroetz Relin im TV:

* In der Nacht zum Montag (1.15 Uhr), „Mütter und Töchter  - Geliebte Feindinnen“, Hessischer Rundfunk (hr); Wiederholung in der Nacht zum Freitag (0.10 Uhr)

* Samstag, 4. Juni (2015 Uhr) „Stars im Interview“, Romance TV; Wiederholung: Sonntag, 1.Juli, 1 Uhr und 13:50 Uhr, Sonntag, 10.Juli, 9:55 Uhr

* Mittwoch, 8.Juni (20:15 Uhr), „XY ... ungelöst“, ZDF.

 

© Petra Grond , erschienen in Passauer Neue Presse, Seite 3 am  07. Mai 2016, Nummer 105

 

 

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