Alle Bilder (c) Detlev Schneider;
BILD AM SONNTAG - David Bowie liebte Maria Schell

Für gewöhnlich findet eine Zwölfjährige es gar nicht prickelnd, wenn die Mutter wieder einen neuen Lover hat. Erst recht nicht, wenn der zwanzig Jahre jünger ist und Mama mit ihren 52 Jahren einem schon alt vorkommt.
Doch was, wenn der Lover so spannend ist, dass man einfach alles dafür tun würde, um in seiner Nähe zu sein?
Rückblende: 1978. Mein Vater Veit Relin war gerade zu Hause ausgezogen. Meine Mutter stand in Berlin mit David Bowie für den Film „Schöner Gigolo, armer Gigolo“ vor der Kamera.
Mit David Bowie!!! Mein Zimmer war mit Postern meines Hero tapeziert. Es fehlte keine Schallplatte im Regal.
Da fiel mir auf, dass sie nach dem Ende der Dreharbeiten dennoch immer häufiger nach Berlin musste und jedes Mal mit leuchtenden Augen zurückkam. War das möglich? Ziggy Stardust als Stiefvater? Geil! Er war 31, sie 52. Beide lebten in Trennung. Reife Frau, junger Mann – damals wie heute ein Tabuthema.
Sie war attraktiv, keine Frage, und vielleicht fand die Pop-Ikone (damals auf Entzug) im mütterlichen Typ einen Halt? Wie lange ihre Affäre hielt, kann ich nicht sagen. Gern würde ich heute in den Tagebüchern meiner Mutter kramen. Doch die sind mir leider verschlossen geblieben, weil ich, bedingt durch ihre Schulden, ihr Erbe ablehnen musste.
Meine Mutter brannte generell aus Liebe. Sie verliebte sich leidenschaftlich oft, gern auch in ihre Filmpartner: von Dieter Borsche über Glenn Ford bis zu Gary Cooper. Sie hüllte jeden Mann in einen „Sternenmantel“ und kürte ihn zum Genie – sogar dann, wenn es sich um den letzten Trottel handelte.
Dass Mamas Liebhaber damals plötzlich David Bowie hieß, hatte für mich pubertierendes Mädchen eine Gefühlsachterbahn zur Folge. Da sprossen die Pickel und schossen die Hormone!
Ich löcherte Mami mit Fragen, um mehr von ihrer geheimnisvollen Liebe zu erfahren. Doch statt mir etwas zu verraten, brachte sie mir Pralinen von ihm mit. Die wurden für mich zum Heiligtum – nur gucken, bloß nicht essen! Ich glaub’, die Dinger standen fünf Jahre in meiner Bude rum, bis sie dem Hund zum Opfer fielen.
1983 – ich lebte schon allein in Paris – stellte sich Muttis Liebesabenteuer mit David Bowie schließlich unter Beweis. Ich wollte in sein Konzert und forderte von ihr: „Ich will ihn kennenlernen!“ Kein Problem für meine Mutter! Ich bekam umgehend eine Einladung und bald schon rutschte mein Po auf der VIP-Tribüne des Stadions nervös hin und her.
„Miss Relin?“, sprach mich sein Bodyguard an. Ich nickte bloß, einen Ton hätte ich ohnehin nicht rausbekommen. Ich wurde in einer Limousine mit Blaulicht rund ums Stadion gefahren. In einem Zelt hinter der Bühne wartete ich auf meinen Musikgott.
Promis gehörten zu meinem Alltag: Ich saß bei Dürrenmatt auf der Couch, bekam meinen ersten Handkuss von Lenny Bernstein und war zum Abendessen mit Mick Jagger. Aber die Begegnung mit David Bowie war besonders für mich.
„Du bist Marias Tochter?“ Mein Herz schlug bis zum Hals. Er schaute mich mit diesen unvergesslichen Augen ganz warm an. Er fragte besorgt nach meiner Mama, die gerade eine Hüftoperation hinter sich hatte. Er benahm sich wie ein englischer Gentleman, der schweigt und genießt. Sehr nobel.
Tief beeindruckt lauschte ich später dem Konzert von meinem Platz aus. Alles wirkte so unwirklich. Während seine Band noch auf der Bühne spielte, verschwand er in der Dunkelheit . . . Adieu.
Die Welt trauert um David Bowie.
Und manchmal kommt es mir so vor, als hätte die Welt meine Mama bereits vergessen: Am 15. Januar wäre sie 90 Jahre alt geworden.
In meiner Erinnerung bleiben sein Stardust und ihr Sternenstaub.
 
 
© Marie Theres Kroetz Relin, erschienen am 17.01.2015 in BILD AM SONNTAG



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