Alle Bilder (c) Detlev Schneider;
GALORE- "Veränderung bedeutet Kampfbereitschaft" von HEIKE PREDIKANT
13.11.2006, Stuttgart. Im Restaurant des Schlosshotels bestellt Marie Theres Kroetz-Relin, die aus Teneriffa eingeflogen ist, Gänsebrust mit Knödel und Blaukraut und wundert sich über die überhitzen Räume in Deutschland. Doch weder das deftige Essen noch die warme Luft lähmen den Kampfgeist der früheren Schauspielerin.

Interview von Heike Predikant erschienen am 14.02.2007 in GALORE Vol. 26 Frau Kroetz-Relin, Sie haben 2002 auf Ihrer gleichnamigen Internetseite die so genannte Hausfrauenrevolution ausgerufen. Wollten Sie Daheim nicht mehr länger zum Nulltarif funktionieren?

Marie Theres Kroetz-Relin: Das, was sich all die Jahre über aufgestaut hatte, führte bei mir zu einem regelrechten inneren Notstand. Mein Kreativitätspotenzial entsprach dem meines Schnellkochtopfs. Außerdem wurde mir klar: Ich habe keinen Beruf, keine Versicherung, keine Rente. Und überhaupt: Was mache ich, wenn die Kinder groß sind? Irgendwann war ich so überlastet, dass mein Körper die Handbremse zog und ich ins Krankenhaus musste. Für meinen Aufenthalt dort kaufte ich mir einen Computer. Zu der Zeit habe ich auch meine jetzige Geschäftspartnerin kennen gelernt. Ich erwähnte, dass ich irgendwann schon noch meine Hausfrauenrevolution machen würde, und sie meinte, dass das ein guter Name für eine Webpage wäre. Wir gingen ins Netz und hatten schon am Tag der Eröffnung 2.000 Klicks.

War Ihnen bereits zu dem Zeitpunkt bewusst, dass Sie offenen Türen einrennen würden?

Absolut. Ich hatte viele Frauen in meinem Umfeld, denen die gleichen Ungerechtigkeiten widerfahren sind. Sie zogen wie ich Kinder groß, bekamen aber von keiner Seite Unterstützung und Anerkennung. Der Wunsch, sich auszutauschen, war immens – nicht nur unter den Hausfrauen. Auf meiner Internetseite meldeten sich auch Studentinnen, die nicht wussten, wie sie Kind und Karriere vereinbaren sollen, junge Mädchen, die Probleme mit ihrer Mutter hatten, weil diese unzufrieden war, berufstätige Mütter, die unter der Doppelbelastung litten.

Die Hausfrauenrevolution ist also eher eine Art Lebenshilfe?

Ja, aber abgesehen davon, habe ich genug damit zu tun, den Frauen klar zu machen, dass sie lieber das Wort ,Hausfrau’ mit Stolz aussprechen sollten, als sich Familienmanagerin zu nennen. Ich bin nach wie vor eine Hausfrau, auch wenn ich jetzt wieder arbeite. Es geht ja nicht darum, sich selbst zu verleugnen, sondern darum, ernst genommen zu werden. In Deutschland gibt es 20 Millionen Hausfrauen, darunter 15 Millionen so genannte Nur-Hausfrauen. Das ist also eine riesige Gesellschaftsgruppe. Trotzdem schenkt man ihr nur wenig Aufmerksamkeit. Allein die Wirtschaft müsste froh sein, uns zu haben – konsumstark wie wir sind. Wenn wir uns zusammentun, streiken und sagen würden, wir pfeifen aufs Weihnachtsgeschäft, wir kaufen erst wieder, wenn es Schnäppchen gibt, würde das ganz schöne Umsatzeinbußen geben. Aber das können wir ja nicht, weil wir Kinder haben, die an das Christkind glauben, das die Geschenke bringt.

Sie haben also festgestellt: Die Mehrheit der Hausfrauen lebt in ihrem Trott und wagt nicht aufzumucken.

So ist es. Wenn man jahrelang rund um die Uhr für die Familie da war, gekocht, geputzt und die Kinder durch die Gegend kutschiert hat, verfällt man in Lethargie. Die Kraft, die man bräuchte, um auszubrechen, wird immer weniger, die Hemmschwelle immer größer. Veränderung bedeutet Kampfbereitschaft. Wer etwas verändern möchte, muss damit rechnen, anzuecken und abgelehnt zu werden. Das wollen die meisten nicht auf sich nehmen. Und dann tritt eben der Mechanismus ein, dass man das Gewohnte für gut befindet. Aber dass es einem viel besser gehen könnte, wenn man endlich etwas tun würde, kommt einem nicht in den Sinn.

Was ist das Ziel dieser Revolution – außer der Anerkennung der Leistung einer Hausfrau?

Ich werde oft nach meinen Zielen gefragt, aber ich sage immer: Der Weg ist das Ziel. Klingt blöd, ist aber so. Die Frauen müssen erst mal ein anderes Selbstbewusstsein erlangen. Das Problem von uns allen ist: Wir versuchen ständig, uns zu rechtfertigen, weil wir immer sofort in eine Schublade geschoben werden. Die Hausfrau sagt: „Ich bin mehr als ein Heimchen am Herd.“ Die Berufstätige sagt: „Ich bin nicht karrieregeil.“ Die Blondine sagt. „Ich bin zwar blond, aber nicht dumm.“

In welche Schublade wurden Sie gesteckt?

Egal in welcher Talkshow ich aufgetreten bin, ich war immer die Tochter von Maria Schell, die Frau von Franz Xaver Kroetz, die Nichte von Maximilian Schell, die Goldene Kamera-Gewinnerin, die Ex-Schauspielerin, die auf Teneriffa lebt. Aber niemand hat mich als diejenige vorgestellt, die ich bin: Eine Einzelkämpferin, die das erreicht hat, was sie sich vorgenommen hat, und nun auf eigenen Füßen steht. Bis ich in den Sendungen erklärt hatte, dass alle in meiner Familie etwas geleistet haben, ich auf Teneriffa lebe, weil meine Kinder Asthma haben, wir nicht in einer Luxusvilla, sondern in einem einfachen Häuschen wohnen und auch keine Putzfrau haben – da war die halbe Sendezeit vorbei. Bei einem Mann würde man das nie machen. Bei ihm achtet man nur darauf, welche Persönlichkeit er hat und was er von sich gibt.

Ist also Gleichberechtigung nicht mehr als ein schöner Traum?

Abgesehen davon, dass Frauen – bis auf wenige Ausnahmen – für den gleichen Job immer noch nicht das gleiche Geld bekommen wie Männer und immer noch nicht die gleichen Karrieren machen können, wird mit zweierlei Maß gemessen. Das fing schon vor tausenden von Jahren an. Weil nach Eva auch Adam in den Apfel gebissen hat, ist sie daran schuld, dass sie aus dem Paradies vertrieben wurden. Marie durfte nicht vögeln, sondern wurde vom Heiligen Geist beglückt. Danach hatten die Frauen keine Rechte. Wenn heute ein Mann eine jüngere Frau oder wechselnde Liebhaberinnen hat, ist er ein Held. Im umgekehrten Fall wird die Augenbraue hochgezogen. Soll heißen: Wir leben in einer Männergesellschaft. Und das möchte ich umdrehen.

Wie wollen Sie das anstellen?

Man kann das Ganze auch anders sehen: Männer können ohne uns gar nicht existieren. Selbst der größte Macho muss neun Monate im Bauch einer Frau ausharren und kann nur durch sie das Licht der Welt erblicken. Danach wird er durch ihren Busen ernährt. Und später, wenn er seinem Machismo ausleben will, braucht er dazu eine Frau. Diese Macht müssen wir uns zunutze machen. Wenn wir unsere machtvolle Weiblichkeit als selbstverständlich begreiften, würden gar nicht so viele Frauen vor den Herren der Schöpfung zusammenzucken – und es würde ein ganz anderer Wind wehen.

Kennen Sie eigentlich auch Hausfrauen, die wirklich glücklich sind?

Klar! Denen fehlt nichts, die sind zufrieden mit dem, was sie haben. Ich war auch lange Zeit eine glückliche Hausfrau. Vor allem in den jungen Jahren, als ich meinen Ex-Mann kennen lernte, der über 20 Jahre älter war als ich, und durch den ich in eine völlig neue Welt eintauchen konnte. Als wir mit unseren kleinen Kindern Reisen nach Indonesien, Brasilien und Indien gemacht haben, für mehrere Monate ausgestiegen sind. Ich war Tag und Nacht für die Kinder da und habe die Erfahrung gemacht, welche unglaubliche Kraft man als Mutter haben kann, Krankheiten oder Schulprobleme hin oder her. Das war toll, das möchte ich auch nicht missen. Aber irgendwann neigen sich die eigenen Ressourcen dem Ende zu, und es tritt eine Kehrtwende ein. Dann entwickeln sich alle weiter, der Mann, die Kinder, nur man selbst nicht, und dann beginnt eine Scheißzeit.

Hat Ihnen Ihr Ex-Mann nie unter die Arme gegriffen?

Er hat schon mal ab und zu im Haushalt mitgeholfen und die Kinder betreut. Aber ich habe ihm viel zu viel abgenommen und mir dadurch nicht nur selbst zu viel aufgehalst, sondern auch ihn um eine Erfahrung ärmer gemacht. Aber mir wäre sonst die Decke auf den Kopf gefallen.

Was sagen Sie zu Frauen, die sich selbst in die Passivität manövrieren?
Die nicht mehr in den Beruf zurückkehren, nachdem sie Mutter geworden sind, oder zu Hause die Zügel nicht aus der Hand geben wollen?

Wenn das ihre Erfüllung ist, ihr Sinn des Lebens, ist dagegen nichts einzuwenden. Es gibt ja auch die Konstellation, dass einer die Kohle ranschafft und der andere zu Hause bleibt, und beide mit dem Deal gut zurechtkommen. Wenn man sich allerdings benachteiligt fühlt, muss man den Mund aufmachen, auch wenn das zu Konflikten führt. Und zwar frühzeitig, damit nicht als letzte Konsequenz die Trennung bleibt. Das fängt schon bei Kleinigkeiten an.

Bei welchen?

Frauen sagen, wenn ich meinen Kindern nicht die Handschuhe hinlegen würde, würden sie ohne aus dem Haus gehen. Dabei klappt das höchstens einmal nicht – aber beim nächsten Mal weiß der Partner, was zu tun ist. Frauen neigen eben zum Perfektionismus und geben die Verantwortung daher nur ungern aus der Hand. Mein Ex-Mann spricht heute wie eine Hausfrau, wenn er sagt: „Wenn ich mit den Kindern einen Ausflug mache, nehme ich jetzt immer etwas zum Essen mit, unser Sohn ist nämlich ziemlich heikel.“ Dann muss ich grinsen. Und jetzt weiß mein Ex-Mann auch, dass er keine Zeile schreiben kann, wenn die Kinder bei ihm sind. Ich schreibe trotzdem. Beides gleichzeitig geht bei ihm nicht, weil Männer nun mal nicht multifunktionsfähig sind.

Ihr Buch heißt: „Wie Frauen ticken“. Haben Sie bei der Arbeit daran etwas Neues entdeckt – etwa eine moderne Form von Emanzipation?

Die Frauen haben sich weiterentwickelt, achten mehr auf sich und ihre Bedürfnisse. Aber der Prozess ist noch nicht abgeschlossen, sonst müsste man gar nicht so „rückschrittliche“ Bücher schreiben, beobachten und begründen, warum es dieses oder jenes Verhalten gibt – und warum es normal ist. Sonst würde es einfach gelebt und keine Frau müsste sich verbiegen. Ich will die Frauen zu ihren Wurzeln zurückführen.

Soll das Buch darüber hinaus jedem Mann einen Frauenversteher machen, weil sie noch immer nicht kapiert haben, wie Frauen gestrickt sind?

Gegenfrage: Haben Frauen wirklich begriffen, wie Männer ticken? Es handelt sich eben um geschlechtsspezifische Verhaltensweisen, die man nicht so ohne weiteres versteht. Aber warum versteht man sie nicht? Weil man nicht hinterfragt, nicht genug Interesse für den anderen aufbringt. Wie auch sonst oft im Leben. Als meine Mutter starb und ich in meinen Erinnerungen schwelgte, musste ich feststellen, dass ich verdammt wenig über sie weiß, über diesen Menschen, der mir sehr nahe stand. So ist das auch bei Paaren. Man wundert sich zwar, warum der Kerl, mit dem man Tisch und Bett teilt, nicht die Butter im Kühlschrank findet, aber man geht der Sache nicht auf den Grund. Wäre der Frau klar, dass das männliche Gehirn so ausgerichtet ist, dass es das große Bild wahrnimmt statt der Details, würde es keine Vorwürfe hageln.

Warum sollten Frauen und Männer besser miteinander zurecht kommen, wenn man die Verhaltensweisen des anderen begreift?

In dem Moment, wo man sich auf den anderen einlässt, kann man sich viel besser selbst reflektieren, begreift seine eigenen Stärken und Schwächen. Beispiel Sex: Wenn ich nicht weiß, ob mein Partner gern mal etwas anderes ausprobieren würde, liebt man sich nach dem immer gleichen Strickmuster. Kenne ich dagegen seine geheimen Wünsche, tut sich eine ganz andere Welt auf. Andernfalls verpasst man vielleicht etwas oder lebt bestimmte Bedürfnisse gar nicht erst aus.
Oder man ist geschockt und hat ein neues Problem.
Dann muss man erst recht darüber reden, da der eine offensichtlich Defizite und der andere Ängste hat. Egal, um welchen Bereich es sich handelt, man muss sich regelmäßig überlegen: Was können ich und mein Partner ändern, um die Beziehung in Schuss zu halten? Wie bleibe ich für den anderen attraktiv? Welche Schwierigkeiten haben wir?

Kann das nicht schnell in gegenseitiges Erziehen ausarten?

Das ist falsch interpretiert. Man muss sich schon selbst fragen: Wie war ich am Anfang unserer Liebe, was habe ich ausgestrahlt, wo lagen meine Besonderheiten – und wie viel davon ist noch da. Der andere ist nicht automatisch der Böse. Es hilft oft schon, eine Plus-Minus-Liste aufzustellen und zu sehen, dass es gar nicht so wenig Pluspunkte gibt. Aber man hält sich meistens mit den negativen Sachen auf, kritisiert statt zu loben. Und die kleinen liebevollen Gesten werden alle für selbstverständlich genommen – und mit der Zeit immer weniger. Dabei müsste der Mann nur mal bei Aldi eine Flasche Sekt kaufen und die Frau dazu einladen, den Sonnenuntergang anzuschauen. Ich möchte eine Frau sehen, die nicht sofort dabei ist. Und man kann seinem Partner auch mal zeigen, wie der Geschirrspüler funktioniert und sich beibringen lassen, wie man eine Lampe anbringt. Das Leben ist eine Schule, wenn man etwas lernen will, muss man offen sein.

Ist ein Mann, der regelmäßig Blumen mitbringt und Komplimente macht, denn tatsächlich sexy? Oder ist der Typ mit Ecken und Kanten nicht irgendwie reizvoller?

Das ist doch nur dann der Fall, wenn eine Frau ihren eigenen Wert nicht erkennt und deshalb seine Bemühungen nicht schätzen kann. Diese Frau sucht sich ein Arschloch, das es ihr schwer macht, damit sie das Gefühl hat, sich etwas zu verdienen. Aber man muss nicht ständig erobern und hart arbeiteten, um etwas zu bekommen. Das kann auch ohne Reibung und Kampf geschehen.

Mit Hilfe Ihrer Ratschläge: Kann sich die Frau passend machen, was nicht – oder nicht mehr – passt?

Das ist nicht die Frage. Wenn mir etwas fehlt und der andere das nicht geben will oder kann, muss ich mir einfach überlegen, ob ich die Beziehung weiterführen möchte. Ich hätte meine Ehe auch weiterführen können, und es hätte ohne Zweifel weiterhin gute und schlechte Zeiten gegeben. Aber ich wollte mich verändern, mir einen neuen Sinn geben; und deswegen musste ich meinen Weg gehen. Mein Ex-Mann hätte mitgehen können, aber das wollte er nicht. Daher haben sich unsere Wege getrennt. Doof ist nur, wenn es heißt, dass die Ehe gescheitert ist. Ich finde, wir hätten den Nobelpreis dafür bekommen können, dass wir es 18 Jahre lang miteinander geschafft haben. Er hat seine Erfolge, ich habe meine. Ist doch wunderbar.

Sind Sie nun so etwas wie eine Beziehungsexpertin?

Das will ich gar nicht sein. Da bleibt man nur an seinen Thesen hängen, und das ist langweilig. Mein Kopf weiß über die Theorie Bescheid, aber ich bin mir sicher, wenn das Herz im Spiel ist, sieht die Sache anders aus. Und was meine Arbeit, das Schreiben, angeht, beherzige ich den weisen Rat meines Ex-Mannes: Schreibe nie über deine Verhältnisse! Deswegen beschäftige ich mich nur mit Themen, die ich kenne oder nachvollziehen kann.

Was war die größte Veränderung in Ihrem Leben, seit Sie nicht mehr nur Hausfrau sind?

Dass ich meine alte Power wieder auf die Schaufel gekriegt habe, die Dinge wieder hundertprozentig anpacke. Mit halben Dingen habe ich mich nie abgegeben. Wenn schon Schauspielerin, dann richtig. Und wenn schon Hausfrau, dann richtig.


© Von Heike Predikant erschienen am 14.02.2007 in GALORE
 
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