Alle Bilder (c) Detlev Schneider;
Muttern fremdelt
Der Urlaub ist vorbei. Muttern sitzt im Flugzeug, noch ganz benommen von den vielen bunten Eindrücken Reise. Ihre Gedanken kreisen um die Gastfreundschaft, die Herzlichkeit, die Sprachen und Lebensweisen in anderen Ländern. „Wenn einer eine Reise tut, dann kann er was erzählen. Ach, war das schön!“ denkt sie dankbar und nimmt sich die Zeitung.
Und fassungslos liest sie, wie im sächsischen Mügeln bei einem Volksfest acht Inder von einer Meute von fünfzig Verfolgern plus zweihundert Schaulustigen mit „Ausländer raus“-Parolen gejagt und anschließend verprügelt worden sind. Die teils schwer Verletzten mussten nach dem Übergriff stundenlang im Polizeirevier aushalten, keiner fragte sie, ob sie Schmerzen hätten, sich behandeln lassen wollten und niemand gab ihnen etwas zu trinken. Die ganze Nacht saßen die Opfer des Rechtsextremismus auf dem Flur des Reviers und mussten "wie Hunde" warten. Der Artikel wird von einer Studie ergänzt, nach der sich jeder achte Deutsche vorstellen kann, eine rechtsradikale Partei zu wählen. Traurig hebt Muttern den Blick und sieht lauter braungebrannte Touristen. „Fremd ist der Fremde nur in der Fremde, hat Karl Valentin mal gesagt.“ denkt sie. „Na, wie erging es euch in der Fremde, ihr Fremde? Den Strand, die Sonne und den Vino habt ihr sicher genossen, oder?“ murmelt sie leise und versinkt in ihrem Sitz. „Ich schäme mich für Deutschland.“ Muttern fühlt Fernweh, je näher sie ihrer Heimat entgegen fremdelt.


© M.Th. Kroetz Relin 2007- erschien in "Die Aktuelle"   Heft 36
 
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