Alle Bilder (c) Detlev Schneider;
AKTUELLE - Liebe hat einen Namen

Oje. Da ist es wieder, das Ende einer großen Liebe! Ich rede auf meine heulende Freundin ein, versuche sie aufzubauen, nehme sie in den Arm und trockne die Tränen. Sie wechselt zwischen Schluchzen und wilder Wut, schimpft auf den Mann, der ihr das alles antut und beweint im gleichen Atemzug den großen Verlust.

„Na was denn nun?“ denke ich mir und bin froh, keinen Mann an meiner Seite zu haben. Eine SMS nach der anderen jagt durchs Handy, je nach Nachricht schreit oder heult die Freundin auf. Mir wird das ganze Liebestrara zu viel, ich verabschiede mich mit einem „Bin immer für Dich da.“ und steige in mein Auto. Mein eigenes Liebesleben geht mir durch den Kopf - nein danke, bloß nicht dran denken. Im Autoradio jault mir James Blunt sein „You’re beautiful“ entgegen - im Video geht er wegen seiner Schönen sogar ins Wasser! Ja,ja, die Liebe. Seit Jahrtausenden wird sie besungen: mal himmelhoch jauchzend, mal zu Tode betrübt. Gibt es überhaupt einen Song, ein Lied ohne Liebe? Zuhause angekommen gönne ich mir zur Entspannung eine Runde Fernsehen, aber auch hier schwappt mir ein Liebesdrama nach dem Anderen entgegen: von der Vorabendserie bis zum Spielfilm. Schließlich lande ich in einer Talkshow, in der mir irgendeine Promi-Tussi erklärt, warum sie sich von ihrem Typen getrennt hat. Oh nein. Fernseher aus und Zeitung her: Schon wieder Lovestory? Och, Prinzessin Stephanie geht zurück zu ihrem Ex? Hey, hallo, ich habe heute keinen Bock auf Liebe! Zeitung weg, ein bisschen raus an die Luft, auf den Dorfplatz. Mein Töchterchen schwebt mit verklärtem Blick in ungefähr 5 Zentimeter Höhe an mir vorbei. Oje, die hat´s erwischt! Und ich mache mir in der Abendsonne Gedanken über die Liebe:
„Ist schon merkwürdig: unvoreingenommen werden wir geboren, offen für alles. Wir bekommen einen Namen, füllen diesen im Laufe unseres Lebens mit „Inhalt“ und identifizieren uns damit. Die ersten Strickmuster vom „Mann/Frau-Dasein“ werden uns durch unsere Eltern vorgelebt. Egal ob schön oder schrecklich, wir speichern sie ab und übernehmen Einiges, oft ungewollt. Und später machen wir oft unsere Kindheit für unser Leben verantwortlich. Aber irgendwann betritt ein fremder Name dein Leben: ein Blick - bingo! Das Herz rast, man verliebt sich, und plötzlich verändert dieser Name die Sichtweise auf dein ganzes bisheriges Leben! Gefühle, Gerüche, Erinnerungen, Erlebtes und Erträumtes, Liebeslieder und Telefonnummern – alles bekommt einen neuen Blickwinkel! Er oder sie kann den hässlichsten Vornamen, Bierbauch und Glatze, kurze Beine und keine Brüste, dafür aber den fettesten Hintern haben oder in der widerlichsten Strasse der Welt wohnen - das alles ist dir völlig egal, denn du bist soeben deinem Traumbild begegnet!
Die Liebe hat einen Namen bekommen, und an diesem Namen klebst du. Er gibt dir ein neues und intensives Lebensgefühl: Freude, Leidenschaft, Träume, Tränen, Hoffnung... Jeder geliebte Name wird dich kennzeichnen und verändern. Besser: DU wirst Dich verändern. Aus der Namensfindung zweier Menschen, werden weitere kleine Namen entstehen. Namen, die DU diesmal aussuchst und prägst- eins, zwei, drei oder mehr...
Aber der graue Alltag stülpt sich langsam über die Welt der Verliebten. Jetzt beginnt die Arbeit an der Beziehung und vor Allem an sich selbst. Nicht einfach, wenn der pure Überlebenskampf im Vordergrund steht. Schwierig, wenn nur noch der Streit Leiden schafft und die anfängliche Leidenschaft vergessen lässt. Traurig, wenn nur einer von beiden sich weiter entwickelt, der andere aber stehen bleibt. Schrecklich, wenn die schleichende Abhängigkeit dominiert. Überflüssig, wenn die Beziehung stagniert.“ Plötzlich spüre ich eine Hand und strahlende Augen lächeln mich an. „Mama, ich bin so verliebt!“ Ein Schwall von Informationen über den neuen Traumann strömt mir entgegen. Ich freu mich und nehme mein Mädchen in den Arm. „Genieße es! Die Liebe ist der Leitfaden durch unser Leben. Liebe hat einen Namen. Und für Dich ab heute einen ganz Besonderen...“ hauche ich in ihr Ohr und drück sie ganz fest. „Ich hab Dich lieb, Mama.“ Ich gehe ins Haus und mein Hund begrüßt mich freudig. „Ja, Liebe hat einen Namen. Gell, Idefix?“ sage ich zu ihm, während ich ihn streichle. Mein Blick streift das Bücherregal, ich hätte jetzt Lust im Bett zu lesen. Da stehen natürlich auch viele Liebesromane. „Nö, das Thema ist für mich heute abgehakt, ich schnapp mir lieber ne Runde Schlaf.“ denk ich mir, rolle mich ein wie eine Katze und träume... und träume ...
Na, wovon wohl?



© M.Th. Kroetz Relin erschien in Die Aktuelle am 22..07.06 Heft NR. 30
 
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