Alle Bilder (c) Detlev Schneider;
AKTUELLE- 40, na und?
Nein, es fällt mir nicht schwer, vierzig zu werden. Im Gegenteil, ich freue mich darauf. Klingt vielleicht eigenartig, aber für mich liegt mein schwerstes Jahrzehnt endlich hinter mir und ich erwarte mit Spannung meinen neuen Lebensabschnitt.  Mal zurückdenken: mein 30. Geburtstag fing schon merkwürdig an. Irgendwie hatten mich alle vergessen, außer meiner kleinen Familie. Am Abend erhielt ich einen Anruf von meiner Mutter: „Schatzilein, heute vor vierzig Jahren...“ sagte sie zu mir. „Mami, ich bin heute 30 geworden!“ Ich muss zugeben, dass sie damals schon nicht mehr ganz gesund war und das Verhältnis zur Zeit verloren hatte. Aber ich werde ihre Glückwünsche jetzt annehmen, auch wenn sie nicht mehr lebt. Du meine Güte, was habe ich alles erlebt in diesen zehn Jahren! Kleinkinder mit Asthma, Umzug nach Teneriffa, eine fremde Sprache erlernt, das Multitasking als Familienmanagerin, Lungenembolie und Schilddrüsenüberfunktion... und dann, mit 35 Jahren, der große Drang nach Veränderung: Mir wurde bewusst, wie abhängig ich war, dass ich keine Rente erhalten würde, keine beruflichen Wiedereinstiegeschancen hatte. Ich krempelte die Ärmel hoch, gründete die Hausfrauenrevolution und fing an, mir einen Beruf zu erschreiben. Von Zuhause aus. Die AKTUELLE gab mir meine erste große Chance: ich wurde Kolumnistin. Mittlerweile hab ich schon über 140 Kolumnen geschrieben und Muttern ist mir ans Herz gewachsen. Ich schrieb, zusammen mit den Frauen der Hausfrauenrevolution, mein erstes Buch „If pigs could fly“ (Piper Verlag), betitelt nach einem englischen Sprichwort, das auf Deutsch „Das Unmögliche möglich machen“ bedeutet. Ich schaffte es, der Vereinsamung am Herd zu entfliehen und mein Leben umzugestalten. Ich stellte fest, dass ich mit meinem Anliegen nicht allein war, dass der Kampf um die Rechte und die Anerkennung von uns Müttern in dieser Gesellschaft dringend von Nöten war. Ich durchbrach nicht nur meine Sprachlosigkeit, sondern auch die vieler Frauen.   Ein weiterer Einschnitt in meinem Leben war der Tod meiner Mutter. Und die Konsequenz meiner Revolution: nach 18 gemeinsamen Jahren reichte ich die Scheidung ein. Es war mein Jahrzehnt des Umbruchs und der Lebensveränderung. Jetzt endlich, mit vierzig, werde ich die Früchte meiner Mühen ernten können: Kinder, die groß werden und geworden sind und die ich nacheinander aus dem heimatlichen Nest schmeißen muss. Mein neues Buch „Wie Frauen ticken“ (Schwarzkopf & Schwarzkopf), das ich gemeinsam mit Hauke Brost geschrieben habe und das im Herbst 2006 erscheint. Neue Aufgaben erwarten mich. Selbst meine ersten Falten begrüße ich, das Buch meines Lebens, das mir ins Gesicht geschrieben ist. Ich bin angekommen in der Mitte des Lebens und ich freue mich auf meinen Neuanfang. Die Zeit ist reif, meine Träume und Wünsche endlich zu leben - an meinem Geburtstag fang ich gleich damit an: ich schenke mir eine Reise nach Paris und feiere dort meine runde Zahl. Zusammen mit meinen Kindern in der Stadt meiner Träume.
Und denke mir, mit Stolz und mit einem Schmunzeln: 40, na und?



© Marie Theres Kroetz Relin 2006 - erschienen in  "DIE AKTUELLE" am 01.07.06 in Heft NR. 27
 
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