Alle Bilder (c) Detlev Schneider;
BILD Erotik-Bibliothek Nr. 7- Anais Nin
Die Frage ihrer Sehnsucht: wer bin ich?

„Dies sind nun meine Abenteuer in jene Welt der „Prostitution“. Sie aus mir herauszuholen, war nicht leicht. Denn das Geschlechtsleben liegt bei uns allen unter vielen Schichten verborgen. Es gleicht einer verschleierten Frau: halb erträumt.“ beschreibt Anais Nin „Die verborgenen Früchte“. Und über die Künstlerwelt: „Es kamen viele junge Schriftsteller zu mir. So unterschiedlich sie in ihrem Wesen auch waren, eins hatten sie gemeinsam: Sie waren arm. Verzweifelt arm. Die meisten Erotika wurden mit leeren Magen geschrieben. Durch den Hunger wird in hohem Maße die Fantasie angeregt. Für das Gedeihen der Blume Erotik eine absolut perfekte Welt.“ Hinter den Kurzgeschichten versteckt sich eine außergewöhnliche Frau: „Die Wirklichkeit beeindruckt mich nicht. Ich glaube nur an den Rausch, an Ekstase, und wenn das gewöhnliche Leben mich bremst, dann flüchte ich auf irgendeine Weise.“ Der Schlüssel dazu sind ihre Männer. Anais Nin, geboren 1903, beginnt mit 13 Jahren Tagbuch zu führen und schreibt insgesamt 150 Stück. Nur 11 davon werden zu Lebzeiten- als gereinigte Fassung- veröffentlicht, wenn auch die wichtigsten Personen ihres Lebens nicht vorkommen, wie etwa ihr Ehemann Hugh Guiler. Erst nach ihrem Tod 1977 wurden die „unbereinigten“ Tagebücher veröffentlicht. Mit dem Schriftsteller Henry Miller beginnt sie 1931 eine stürmische Beziehung, wird seine Muse, Geliebte und gibt den letzten Penny für ihn aus. „Henry, ich lebe nur dann voll, wenn ich bei Dir bin.“ Er ist für sie „Erde“, die Sinnlichkeit. „Ich gab ihm die Tiefe und er mir Bestimmtheit.“ Offiziell ist er aber nur ein „Freund“. Als ihr Ehemann die Tagebücher entdeckt, behauptet Anais, die Leidenschaft zu Miller sei nur „literarisch“ und schreibt für Ihren Mann ein „richtiges“ Tagebuch. Sie liebt und schreibt zweigleisig, rebelliert so gegen das Leben im goldenen Käfig. Sie ist besessen von Henry, liebt ihren Ehemann, verabscheut aber seine Sexualität.
Ihr großes Trauma ist es, verlassen zu werden, seit sich ihr Vater als sie 11 Jahre alt war von der Familie getrennt hat. Nach einer Affäre mit Psychoanalytiker René Allendy - „Ich wollte in ihm nur meinen Vater gewinnen, ihn zerstören und meine Macht bestätigen.“ - tritt nach 20 Jahren Abwesenheit ihr Vater, Joaquin Nin, in das Leben seiner Tochter: Sie entdeckt sich in ihrem „teuflischen Double“ wie in einem Spiegel, inklusive Schattenseiten. „Ein Inzest, geboren aus der Harmonie der Geister.“ Und der Vater bedauert: „Endlich die ideale Frau und ich kann sie nicht heiraten!“ Die Strafe folgt: „Ich war vergiftet von dieser Vereinigung.“ Aus der Besessenheit befreit sie der Psychoanalytiker Otto Rank, der nächste Liebhaber. „Früher glaubte ich, die Analyse sei der schlimmste Feind der Seele. Heute weiß ich, dass sie mich gerettet hat, sie half mir zu Geburt meines wirklichen Ich.“
Anais Nin lebte viele Freiheiten, aber sie war nicht frei. Schreiben war ihr Kampf gegen die eigene Eingrenzung und die Antwort auf die Frage ihrer Sehnsucht: Wer bin ich?


© M.Th. Kroetz Relin 27.08.06
 
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