Alle Bilder (c) Detlev Schneider;
AKTUELLE- In Liebe geschieden
Der Wecker klingelt. Es ist kalt und grau an diesem Montagmorgen, am 20.11.06. „Was soll ich anziehen?“ Ich stehe unter der Dusche, ein flaues Gefühl im Magen. „Ein Kleid? Nein, ein Kostüm.“ Das warme Wasser belebt meine Gedanken. „Ein weißes Kostüm?“ Ich schmunzle. „Schließlich hab ich nicht in weiß geheiratet, dafür könnte ich aber...?“ Erst mal Kaffee. Der tut zwar meinem Hirn gut, aber in meinem Magen hat soeben einen Rummelplatz eröffnet.
Dicke Regentropfen klopfen ans Fenster. Unentschlossen stehe ich vor dem Kleiderschrank. „Vielleicht doch lieber den grauen Hosenanzug.“ entscheide ich. Ich schlürfe meinen Kaffe und beginne mit den Renovierungsarbeiten vor dem Spiegel. Das Resultat kann sich sehen lassen. Nur mein Magen rebelliert.
Ich wecke Josephine, mit der dringenden Ermahnung, dass wir pünktlich sein müssen. Mühsam schält sich die junge Lady aus dem Bett und quält sich Richtung Bad. Ich schaue auf die Uhr. „Du musst ja nicht mitkommen.“ diskutiere ich mit der Badezimmertür. „Ganz oder gar nicht.“, meint meine Tochter dahinter streng. „Schließlich habe ich vor 14 Jahren bei der Hochzeit auch für Dich „Ja“ gesagt.“ Ich nicke und schweige.
„Sag mal Mama, kann es sein, dass Du nervös bist?“
Mein Magen lädt erneut zur nächsten Rundfahrt ein.
Endlich sitzen wir im Auto. Um Punkt 10 Uhr treffen wir im Familiengericht Traunstein ein. „Ruf mich an, wenn ihr fertig seid. Kinder und Hunde müssen draußen bleiben. Ich drehe solange eine Runde.“ sagt meine Tochter im mütterlichen Ton und drückt mir einen Kuss auf die Wange. Trommelschläge in meinem Herzen. „Ommm.“ steuere ich dagegen.
Shake Hands mit den Anwälten, der Richterin und Küsschen, links und rechts, für meinen Noch-Mann.
„Atmen nicht vergessen!“, empfiehlt mir mein Verstand, der für mein Gemüt heute überhaupt kein Verständnis zeigt. Meine Ohren nehmen zwar die letzten Vereinbarungen auf, aber in meinen Gedanken läuft längst ein anderer Film ab: Bilder einer Ehe. Die Gründung der Hausfrauenrevolution vor genau vier Jahren. Revolutionen fordern Konsequenzen. Heute ist es soweit. Die Richterin fasst unseren endgültigen Beschluss zusammen und liest ihn vor. Mittlerweile hat nicht nur mein Magen eine „Riesen-Gaudi“, sondern nun fahren auch noch meine Gefühle Achterbahn. Meine Augen füllen sich und dann tropft es auch schon. Verlegen krame ich in meiner Handtasche nach einem Taschentuch und finde keins. Eine Hand schiebt mir liebevoll etwas über den Tisch. Ich blicke auf und schaue in die Augen meines Ex-Mannes. Oh, auch hier Wasser in den Augen?
Im Duett putzen wir die Nasen. Die Richterin fragt, ob wir angesichts dieser nassen Tatsachen, die Scheidung wirklich wollen? Ja, wir wollen sie beide. Ab heute gehen wir zwar getrennte Wege, aber wir sind endlich wieder auf einer Linie!
Als Josephine dann auftaucht, versteht sie nur noch Bahnhof. „Kann mir einer verraten, wie Eltern ticken? Vater und Mutter geschieden vereint. Das muss festgehalten werden!“ entscheidet sie mit einem Schmunzeln, „Fürs Familienalbum!“
Tja, so geht’s auch!



Marie Theres Kroetz Relin, erschienen in Die Aktuelle Heft 48
 
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