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REVUE- "Ich will nicht mehr nett sein"- Interview von Miriam Nyary
Ihr Buch „Wie Frauen ticken“ wurde schon 80 000 Mal verkauft. Ihre Antwort
auf Eva Herman?


Eva Hermans Buch führt zurück ins Gestern, meines in eine bessere Zukunft.
Mehr muss man dazu eigentlich nicht sagen. Außer: Es ist Klasse, dass wir
Frauen Thema Nr. 1 sind.

Wie reagieren die Leser?

Es kommt bei Männern und Frauen an. Die Frauen fühlen sich nicht auf den
Schlips getreten, die Männer sind ganz schön irritiert über die
Bestandsaufnahme der Frau 2006. Eine Frau hat mir geschrieben, dass ihr Mann
das Buch gelesen, sie dann lange angesehen und schließlich gesagt hat: Es
tut mir so Leid. Wir haben herausgefunden, dass das Schweigen der Männer
Trennungsgrund Nr. 1 in Deutschland ist. Selbst das wird verschwiegen.

Wie geht es Ihnen nach der Trennung von Ihrem Mann, dem Dramatiker Franz
Xaver Kroetz?


Wir sind jetzt jeder wieder ein Ganzes, keiner kann mehr den anderen
verantwortlich machen für sein „Unglück“. Mein Ex hat wieder Erfolg als
Regisseur und Autor, er inszeniert und macht und tut. Und ich bin auch
erfolgreich. Wir haben jetzt eine ganz andere Ebene, miteinander zu reden.
Ist zwar besser, wenn das während der Ehe eintritt und nicht erst, wenn man
sich scheiden lässt. Vielleicht hilft das Buch, dass andere Paare früher an
diesen Punkt kommen.

Sind Sie glücklich?

Ja. Ich bin sehr ausgeglichen. Ich habe gelernt: Ich bin selbst für mich und
mein Glück verantwortlich. Die Jahre zwischen 30 und 40 waren die schwersten
meines Lebens. Ich hatte eine Lungenembolie, dann eine
Schilddrüsenüberfunktion. Ich habe mich wie eine Schneekönigin gefreut, 40
zu werden, und es bis jetzt nicht bereut (lacht). Es ist das Alter der
erfolgreichen Frauen, gibt einen richtigen Kick. Es ist geil, 40 zu sein.
Meinen Geburtstag habe ich gleich anders angefangen.

Wie meinen Sie das?

Ich träumte seit Jahren davon, wieder mal nach Paris zu fahren. Also rief
ich meine beste Freundin Isabelle in Paris an: Ich will bei dir feiern. Mit
meinen Kindern haben wir dort eine Woche lang Geburtstag gefeiert. Ich
träume nicht mehr, ich erfülle mir jetzt Träume. Was geht, geht – und was
nicht geht, geht auch (lacht).

Welche Träume haben Sie sich zum Beispiel noch erfüllt?

Herrliche Kleinigkeiten. Als ich im Sommer das erste Mal ganz allein in
unserem Haus auf Teneriffa war, wusste ich am Anfang gar nicht, was ich mit
der neugewonnen Freiheit anfangen sollte. Dann bin ich in den Supermarkt und
habe mir als erstes Coca Cola in Fläschchen gekauft. Die gab’s bei uns nie,
hätten ja runterfallen können, eins der Kinder hätte sich schneiden können.
Dann habe ich mir Leckereien gekauft, die die Kinder nicht mögen:
Lachs-Carpaccio, Austernpilze. Abends saß ich da mit Kerzen und Wein und
lauter Musik …

Können Sie sich eine neue Liebe vorstellen?

Jederzeit. Obwohl mein Single-Leben sehr angenehm ist. Ich habe viele
Freiheiten – und viele Verehrer. Liebe kriege ich von meinen Kindern. Abends
gehe ich manchmal mit meiner Tochter tanzen und werde für ihre Schwester
gehalten. Das finde ich sehr angenehm!

Und zu Hause liegen dann Blumen von einem Verehrer vor der Tür?

Nö, das nicht. Die Männer sind ja nicht mehr so romantisch. Ja, das könnten
sie mal wieder lernen, die alten Manieren.

Was ist beruflich in Planung?

Ich habe zwei Bücher in der Schublade. Eins mit Kurzgeschichten, an deren
Ende immer ein Rezept steht – vom geilen Spargel bis zum mörderischen Keks.
Außerdem plane ich eine Frauenpower-CD. Und ich werde bald ein
Vier-Augen-Gespräch mit Familienministerin Ursula von der Leyen haben.

Wie kommt’s?

Ich war im August in Berlin bei einem CDU-Kongress, saß mit ihr auf dem
Podium. Thema: Wie können wir Familien helfen, Basis der Gesellschaft zu sein?
Blödsinn, Familien sind seit Jahrtausenden Basis unserer Gesellschaft.
Ursula von der Leyen fand meine Vorschläge gut, jetzt suchen wir einen
Termin. Frau Merkel saß damals übrigens im Publikum, meine Tochter direkt
daneben. Das war recht lustig. Meine Tochter trägt zurzeit Rastazöpfe. Ich
hätt’ mich krank lachen können.

Wollen Sie in die Politik gehen?

Ich seh mich nicht direkt als Politikerin, aber als Revolutionärin. Und
Revolutionen sind eine Form von Politik, bloß arbeitet die Revolution mit
dem Volk zusammen. Ich will, dass die Frauen den Mund aufmachen.

Dann haben Sie ja jede Menge zu tun.

Und wie! Dazwischen hab’ ich noch meinen Alltag, schöne Grüße an Eva Herman.
Ich mach’ ja auch alles selber, kochen hier, Kinder zur Schule bringen und
abholen da, einkaufen, aufräumen, saubermachen.

Sie haben das gemeinsame Haus auf Teneriffa behalten?

Es gehört mir ja. Und mein Ex hat eine Wohnung auf Teneriffa. Wir verstehen
uns gut und das finde ich auch wichtig, vor allem für unsere Kinder.

Welche der in Ihrem Buch beschriebenen weiblichen Eigenarten ist eigentlich
bei Ihnen am stärksten ausgeprägt?


Frau will immer die Gute sein und hat Schwierigkeiten damit, abgelehnt zu
werden. Darum übernimmt sie viel zu viel Verantwortung. Helfer-Syndrom und
blablabla. Also, davon hab’ ich schon so ein bisschen gespeichert. Aber das
habe ich jetzt alles umgekrempelt. Ich will gar nicht mehr nett sein …



Interview mit Marie Theres Kroetz Relin von Miriam Nyary erschienen in der REVUE   am 19.10.2006   
 
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