Alle Bilder (c) Detlev Schneider;
FOCUS- Hallo, hier spricht die bessere Hälfte?!
Ein Selbstgespräch über den kleinen Unterschied zwischen Mann und Frau - und über das ewige Missverständnis

Ich habe eine klitzekleine Unart: ich rede leidenschaftlich gern. Ein bayrisches Sprichwort bringt es auf den Punkt „Wenn die mal stirbt, muss man bei der die Ratschen (Klappe) extra erschlagen.“ Leider finde ich nicht regelmäßig ein geeignetes Opfer für diese Lebensphilosophien und deshalb müssen Pflanzen, Tiere und gelegentlich Zahnbürsten herhalten. Und wenn gar nichts anderes zuhört, spreche ich eben mit mir selbst.
So stolpere ich also durch meinen hausfraulichen Vormittag: „Wie bescheuert geht es manchmal in einer Ehe zu! Eigentlich wären ja Mann und Frau zwei makellose Hälften. Zwei Hälften, die sich zu einem Ganzen vereinen. Neues Leben entsteht. Ein ewiger Kreislauf beginnt. Und trotzdem beschäftigt uns seit Menschengedenken der Unterschied zwischen den Geschlechtern!“ Ich beginne das Bad zu putzen. „Diese dämlichen Streitereien- Du hast gesagt, und dann hab ich gesagt...“ Ich schrubbe intensiv das Waschbecken. „Mhm, ich glaube, es ist der Stress des Alltags, der diese außergewöhnliche Zeit des verliebt seins all zu schnell unter sich begräbt. Und all zu schnell vergessen wir das Warum - äh, warum hatte ich mich verliebt? Ach ja, wir ergänzen uns.“ Ich poliere den Wasserhahn und halte inne. „Ergänzen? Da stimmt doch was nicht. Im ersten Stadium der Liebe war doch jeder eine Persönlichkeit für sich. Drum hat man sich ja verliebt! Zu Beginn verlangte keiner eine Veränderung. Meistens wirft erst das Zusammenleben die ersten Probleme auf, spätestens dann, wenn die zwei Zahnbürsten im gleichen Glas landen.“ Ich notiere schnell auf meinen Einkaufszettel: frische Zahnbürste! besorgen. „Die Gewohnheit schleicht sich ein. Man versucht das Gegenüber in seine Welt zu ziehen. Das scheitert natürlich, wenn einer der Partnern sich verstellen muss, seine eigenen Bedürfnisse in den Hintergrund drängt und die gemeinsame Sprachlosigkeit beginnt.“ Auf in den Kampf! Jetzt ist das Klo dran, die Bürste wirbelt. „Verstellung ist gleich Abhängigkeit. Egal ob finanziell oder seelisch. Und das ist..“ Ich atme tief durch - „Scheiße?!“ und schütte WC-Reiniger in die Schüssel. „Nein, das ist nicht gut! Das ist weder für ihn, noch für sie gut! Das führt doch zu einer gnadenlosen Unzufriedenheit. Man verliert sich in der Verstellung und vergisst dabei, sich selbst zu finden. Man sucht einen Schuldigen für die eigene Misere, Vorwürfe mutieren lawinenartig zum Streit. Aber solange man streitet, hat man sich wenigstens noch etwas zusagen. Man hat noch Interesse aneinander. Erst wenn das Schweigen ausbricht und die Ohnmacht gepaart mit Gleichgültigkeit sich ausbreitet, beginnt der Zerfall jeder Beziehung.“ Mein Klo glänzt. „Ich glaube, da hilft nur noch eins: zurück zum „Warum“, an die Wurzeln, der eigentliche Kern der Beziehung muss wieder freigelegt werden. Ist man denn ein „eigenständiges Ganzes“ geblieben oder klammert man sich „ergänzend“ wie eine Kletterpflanze an den Idealen der Lebensmauer fest? Wir Frauen sind ja so blöd und steuerbar. Spätestens ab dem ersten Kind! Denn dann kleben die Meisten schon in unserem Rollenbild fest und die Traditionalisierung ist perfekt!“ Ich tauche meinen Lumpen ins Putzwasser ein. „Und die „Herren der Schöpfung“ kommen immer noch nicht von dem Irrtum los, den großen Maxe spielen zu müssen!
Wahrscheinlich ist das reine Notwehr: Es beginnt doch schon im Bauch: die Schwangerschaft ist die Fortsetzung des sexuellen Aktes. Die erste Beziehung ist die zur Mutter. Einer Frau! Ha! Da hätten wir ja schon mal ein Indiz auf dem Weg zum Missverständnis: geschichtlich und gesellschaftlich war und ist der männliche Nachkomme, auch Stamm-Halter genannt, mehr „wert“. Aber der Mann kann ohne Frau gar nicht existieren. Selbst der größte Macho muss naturgemäß neun Monate in einer kleinen Frau ausharren, um das Licht der Welt zu erblicken. Im Anschluss folgt der warme, mütterliche Busen und Mutti´s Erziehung. Ist er endlich erwachsen geworden, kann er sein „Männlichkeits-Gedöns“ ohne Frauen nicht ausleben. Da würde schließlich das Publikum fehlen.“ Ich wische den Boden, mein Rücken schmerzt, reinste Knochenarbeit. „So einfach ist das. Passt aber nicht in die dominierende Männer-Welt. Deshalb hat uns Gott via Bibel die unglaubliche Geschichte von Adams Rippe und der daraus resultierenden Eva verzapft. Pandora erging es ähnlich und die heilige Maria durfte auch nur eine unbefleckte Empfängnis genießen. Hallo?! Da wird doch unsere weibliche Macht seit jeher verleugnet!“ Ich lasse den Boden trocknen, die Gedanken turnen in meinem Hirn, ich finde keine Antworten und hänge die gewaschenen Duschvorhänge wieder auf. „Vielleicht verlangen wir Frauen einfach zu viel und setzen unsere Männer ständig unter Druck?“ Den Vorhang wieder einzuhaken ist ein mühseliger Aufwand. „Aber wie könnte ein Ausgleich zwischen Mann und Frau überhaupt aussehen? Schwierig, die Emanzipation haben wir gerade mal seit vierzig Jahren. Aber seit Jahrtausenden werden wir Frauen in ein- und dieselbe Rolle gepresst. Die Ur-Instinkte vom Nestchenbauen bis hin zum Kindergroßziehen - das liegt in unseren Genen, wenn es nicht sogar tief in unseren Eierstöcken hängt!“ Ich besehe mir das Resultat und bin zufrieden. Fehlt nur noch das Fenster. „Aber wie kann sich eine Frau in unserer so indifferenten Zeit noch wohl fühlen? Alles muss sie unter einen Hut bringen: Kinder, Haus, Karriere, sie kämpft um die kleinste Anerkennung, auch innerhalb der Familie. Und ich sitze dann zur Abwechslung mit der Familienministerin Ursula von der Leyen in einer Talkshow und da wird, ach, so easy getalkt! Wie einfach es wäre, Kinder und Beruf unter einen Hut zu bringen! Und wenn die biologische Uhr tickte, könne man doch noch schnell - quasi als „Karriere-Kick“! - ein Kind bekommen! Schließlich hätte jede Frau die Möglichkeit, danach wieder arbeiten zu gehen! Und so weiter und so fort. Ha! Als Höhepunkt spricht die Frau Ministerin, Mutter von sieben Kindern, das politische Unwort „Humankapital“ gelassen aus und endet mit dem wohlgemeinten Rat „Lasst uns die Kinder erst mal bekommen, alles Weitere regelt sich dann schon.“ Na klasse, das sind die Momente während derer ich glaube, im falschen Film zu sitzen! Oder mach ich vielleicht etwas falsch? Diese Über-Mamis schaffen es doch glatt mit einem Bein im Erfolg zu stecken, mit dem anderen alles auf die Reihe zu bringen, mit der rechten Hand in den PC zu tippen, gleichzeitig am Telefon zu hängen, Termine zu vereinbaren und mit der Linken den Kochlöffel zu schwingen, auch zärtliche Mutterliebe zu spenden und dreimal die Woche sogar den lieben Kleinen etwas vorzulesen!
Ich muss doch irgendwas falsch machen?
Kleiner Trost: ich bin nicht allein! 15 Millionen „Nur- Hausfrauen“ in Deutschland stehen vor der genau gleichen Frage. Ob allerdings die Dame an der Kasse von Aldi ihre Arbeit als Karriere bezeichnen würde, bezweifle ich.“
Ich putze das Fenster mit stoischer Gelassenheit, die langsam einkehrende Klarsicht tut mir gut. Ich schaue auf den Frühlingshimmel. „Zeit für mich selbst, die gönne ich mir zu wenig. Ein wenig durchatmen, einen Sonnenuntergang bewusst genießen, lachen, oh ja, lachen tu ich so gern... Zweisamkeit ohne Einsamkeit. Was wünsche ich mir eigentlich für die Zukunft? Weiterhin auf eigenen Beinen zu stehen, ein Ganzes zu sein. So ein Schwachsinn, wenn man immer von seiner besseren Hälfte redet! Das muss man sich mal bildlich vorstellen: zwei Hälften ergänzen sich und das ist dann ein Paar. Aber wenn jeder nur noch ein Bein hat, können sie sich nur noch gemeinsam fortbewegen oder gar nicht mehr richtig. Und bei einer Trennung haut es dann den auf die Schnauze, der kein neues Standbein hat. Mhm. Die Frage nach der Zukunft beginnt demnach bei uns selbst und somit auch jede Veränderung. Kurz: lieber ein zufriedenes Ganzes, als zwei geschrottete Hälften.“
Ich bin zufrieden, mein Bad ist sauber.
Ich kann mich also schweigend meinem Kochtopf zuwenden.



 © M.Th. Kroetz Relin 24.03.06

 
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